<62>stadt. Auf einem Rekognoszierungsritt verloren die Krockow-Dragoner aus Ungeschick 120 Mann. Aber das sind nur Kleinigkeiten.

Am 20. September waren Tschernyschew und Tottleben mit ungefähr 20 000 Mann aufgebrochen. Sie hatten die Oder bei Beuthen überschritten und waren von dort nach Christianstadt vorgerückt, indes Ssaltykow von Schlichtingsheim in Polen auf Frankfurt marschierte, wo er am 6. Oktober eintraf.

Seit dem Abmarsch des Königs standen die Dinge in Sachsen schlecht. Die Reichstruppen nahmen sofort Nossen. Hülsen war zu schwach zur Besetzung aller Stellungen, die ihn vor einer Umgehung durch den Prinzen von Zweibrücken sichern konnten. Er war daher außerstande, seine Stellung bei Schlettau zu halten, und ging auf Strehla zurück. Der Feind rückte sofort nach. Luszinsky griff seine linke Flanke und Prinz Stolberg1 den rechten Flügel auf dem Dürren-Berg an2. Aber die dort stehende Brigade unter Braun3 warf den Feind tapfer zurück. Gleichzeitig fielen auch die Schorlemer-Dragoner und die Kleist-Husaren über den Prinzen her und trieben seine Truppen vollends in die Flucht. Dabei wurden der österreichische Oberst Prinz Nassau, 20 Offiziere und 400 Mann gefangen genommen. Der Prinz von Zweibrücken zog sich daraufhin zurück. Hülsen schien aber noch nicht genug Feinde vor sich zu haben; denn der Zufall ließ ihm noch neue entstehen. Der Herzog von Württemberg hatte sich von dem Schreck über das unglückliche Treffen bei Fulda im vorigen Jahre4 erholt und erschien aufs neue im Felde. Unter den Fahnen der Österreicher glaubte er mehr Glück zu haben als bei den Franzosen. Auch diesmal hatte er es zur Bedingung seiner Solddienste gemacht, daß sein Korps einzeln verwendet würde. Er zog nun mit der festen Absicht nach Sachsen, Freund und Feind gleichmäßig zu plündern. Zu dem Zweck folgte ihm eine ganze Synagoge von Juden, an die er seine Beute abzusetzen gedachte. Dieser Trupp von Hebräern wurde sein Sanhedrin5 genannt.

Als der Herzog in der Gegend von Grimma erschien, hielt Hülsen ein längeres Verweilen in Strehla für unangebracht. Er zog sich nach Torgau zurück, um sein dortiges Magazin, solange es die Umstände erlaubten, zu decken. Der Prinz von Zweibrücken folgte den Preußen auf dem Fuße und lagerte bei Belgern. Der Herzog von Württemberg rückte von Bitterfeld nach Pretzsch vor. Luszinsky marschierte nach Dommitzsch, schlug dort eine Brücke und ging noch am nämlichen Tage über die Elbe. Dann rückten der Prinz von Zweibrücken, Hadik und Macquire gleichzeitig gegen Hülsen vor und besetzten die Höhen von Süptitz. Diese vereinten Bewegungen und der Übergang des Luszinskyschen Korps über die Elbe ließen Hülsen befürchten, daß der Feind Torgau belagern wolle. Auch mußte er auf ein Vor-


1 Prinz Christian Karl von Stolberg-Geldern, Reichsgeneralfeldmarschalleutnant.

2 Gefecht bei Strehla, 20. August 1760.

3 Generalmajor August Wilhelm von Braun.

4 Vgl. S. 9.

5 Sanhedrin ober Synedrium, der Hohe Rat zu Jerusalem.